Patient Centricity in der Life Science-Industrie

Patient Centricity in der Life Science-Industrie

  |   Branchen, Life Science

Heute kann man soziale Medien oder das Internet praktisch nicht mehr durchstöbern, ohne auf den strategischen Begriff der Customer Centricity zu stoßen. Wer den unternehmerischen Fokus nicht an der Wurzel packt, um sich auf die Bedürfnisse seiner Kunden und deren Customer Experience zu fokussieren, hinkt der Konkurrenz entscheidend hinterher. Unternehmen der Pharmaindustrie müssen ebenso dieser strategischen Orientierung folgen, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren und der zunehmenden Unabhängigkeit von Patienten gerecht zu werden. Nach dem Verständnis über die Verbraucher der Branche kennt man den Ansatz jedoch besser unter dem Begriff der Patient Centricity.

Patient Centricity

Quelle: Vision11

Bedeutung von Patient Centricity in der Coronakrise

Das Jahr 2020 war ein außergewöhnliches Jahr. Auch die klassischen Vertriebsprozesse der Pharmaunternehmen blieben von der Pandemie nicht unberührt, denn sie mussten heruntergefahren und auf ein Minimum beschränkt werden. Laut einer SEMPORA-Studie erwiesen sich besonders zu Beginn der Krise Pharmanbieter mit einem Direct-to-Consumer-Ansatz wie SGP Pharma als wesentlich robuster gegenüber strukturellen Marktveränderungen.

 

Demgegenüber sahen sich Hersteller, deren Geschäftsmodelle stark vertriebslastige Prozesse in Richtung Leistungserbringer (Ärzte und Apotheker) verfolgen, mit dramatischen Umsatzeinbrüchen konfrontiert. SEMPORA folgerte daraus: Indem sich Pharmaunternehmen auf ihre Patienten fokussieren, sind sie besser für die Zukunft gerüstet. Und profitieren schließlich von einem signifikanten Wettbewerbsvorteil.

Patient Centricity: die Gesetzeslage in Deutschland

Der Pharmamarkt ist in Deutschland berechtigterweise stärker reguliert als andere Branchen. Konsumgüter-Marken können anhand personalisierter Anzeigen, E-Mail-Marketing usw. an vielen verschiedenen Touchpoints Daten generieren. Dadurch erhalten sie eine genaue Kenntnis über die Customer Journey ihrer (potenziellen) Kunden. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet Pharmaanbietern allerdings die produktspezifische DTC-Werbung von verschreibungspflichtigen (Rx-) Medikamenten in Deutschland. Die gesetzliche Grundlage in Deutschland schränkt Hersteller also ein, all ihre Aktivitäten auf die Patientenbedürfnisse auszurichten. Auch ist damit ausgeschlossen, dass potenzielle Patienten das eigene Medikament durch Branding aktiv beim Arzt nachfragen.

 

Pharmaunternehmen müssen somit andere Quellen nutzen, um eine umfangreiche Wissensbasis über heutige und künftige Patienten mit ihren Bedürfnissen zu erlangen. Damit sie ihre Produkte und Services patientenzentriert gestalten können, um sie im Krankheitsverlauf bestens zu versorgen und in jeder Phase der Patient Journey zu begleiten. Welche datengetriebenen Strategien dabei zum Erfolg führen, werde ich im Folgenden erläutern.

Closed Loop Ansatz zur Erhöhung der Patient Centricity

Eine Analyse der eigenen Wertschöpfungskette kann laut PWC Pharmaunternehmen zu einer innovativen Marketing- und Vertriebsstrategie verhelfen, um Möglichkeiten zur intensiveren Kooperation mit Kassen und Leistungserbringern zu identifizieren. Ziel muss es sein, die bisher voneinander unabhängigen, linearen Wertschöpfungsketten der einzelnen Akteure zu einer einzigen zirkulären Kette zu verflechten.

Die zirkuläre Wertschöpfungskette für eine hohe Patient Centricity

Quelle: Vision11 nach PWC

So können Pharmaunternehmen ihre Aktivitäten bereits in der F&E-Phase auf die Anforderungen ihrer Stakeholder ausrichten und z.B. klinische Studien entsprechend konzipieren. Im Idealfall nehmen sie dadurch nicht nur mehr Einfluss auf beispielsweise das Pricing und zugewiesene Indikationsgebiete. Zusätzlich sollten Hersteller anhand qualitativer und quantitativer Daten aller Stakeholder inkl. der Patienten schließlich über eine umfassende Datenbasis verfügen. Diese können sie dafür nutzen, um ihr Angebot zu verfeinern, die Patient Centricity zu erhöhen, die Patient Experience zu verbessern und ihre Marke zu stärken.

Patient Centricity durch Patienten-Hubs

Getrieben durch ein integriertes Set von digitalen Lösungen, das alle Berührungspunkte des Patienten während seiner Krankheit erfasst, kann ein ganzheitliches Patientenerlebnis geschaffen werden. Mit Patient Centricity gelingt es Pharmaunternehmen, die Bedürfnisse des Patienten während des gesamten Krankheitsverlaufs zu erfüllen.

Integrierte Patienten-Hubs für Patient Centricity

Quelle: Vision11 nach Deloitte

Durch einen solchen Patienten-Hub, der den Patienten mit seinem Gesundheitsnetzwerk digital verbindet, kann außerdem die Komplexität für alle beteiligten Gruppen reduziert werden. Außerdem unterstützt er bei der Verbesserung des Gesundheitsergebnisses durch eine optimierte Compliance. Welche digitalen Geschäftsmodelle Bestandteil eines solchen Patient Hubs sein können, beschreibt mein Blogbeitrag Status quo der Digitalisierung in der Life Science-Branche.

Patient Centricity durch Patientencommunitys

Doch nicht nur in Verbindung mit ihren Produkten können Pharmaunternehmen ihre Patient Centricity erhöhen. Wie die Plattform RAREis des biopharmazeutischen Unternehmens Horizon Therapeutics zeigt, gelingt dies auch mit der Bereitstellung einer Patientencommunity. Auf dieser digitalen Plattform können sich Menschen mit seltenen Erkrankungen mit Gleichgesinnten vernetzen und in Austausch treten. Auch wird ihnen damit die Möglichkeit gegeben, Informationen von Personen, denen es ähnlich ergeht, zu sammeln und persönliche Geschichten zu teilen. So können Pharmaunternehmen als Dienstleister für eine bessere Patient Experience sorgen und ihre Patientenzentrierung erhöhen.

Datenmanagement für eine hohe Patient Centricity

Es sei dahingestellt, ob wir über Schnittstellen zwischen Pharmaherstellern und Patienten oder zwischen Pharmaherstellern (untereinander), Kostenträgern und Leistungserbringern sprechen. Auf dem Weg zu einer hohen Patient Centricity gewinnt man eine schier unzählbare Menge an Daten. Um daraus schließlich einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, müssen entsprechende Technologien im Unternehmen implementiert werden. Migration in die Cloud und Datenmodernisierung gelten in diesem Rahmen als wichtige Grundlagen, die sich gegenseitig verstärken. Das Vertrauen in diese Technologien steigt und die Bereitschaft zur Implementierung ist laut einer Deloitte-Umfrage groß. Denn von den 66 befragten Life Science- und Gesundheitsunternehmen führen 85 Prozent eine Datenmodernisierung durch oder haben sie bereits vollständig umgesetzt.

Patient Centricity durch Advanced Data Analytics

In der neuen Normalität sind digitale Kanäle zu Kernkanälen im „Customer Engagement“ geworden. Aber jeder nutzt meist die gleichen Kanäle, was dazu führt, dass Ärzte und Patienten mit Inhalten überflutet werden. Das Pharmamarketing braucht Erkenntnisse aus dem Kundenverhalten, um zu verstehen, was funktioniert. Außerdem ist ein hoher Grad an Personalisierung mit Botschaften erforderlich, die auf die einzelnen Zielgruppen zugeschnitten sind. Es ist notwendig, die Reaktion der Kunden schnell zu berücksichtigen, die Auswirkungen zu analysieren und die Customer bzw. Patient Journey in Echtzeit zu optimieren. Dies erfordert jedoch einen viel stärker datengetriebenen Ansatz.

 

Heute sind die Stakeholder, ob Patienten oder Ärzte, viel aktiver an der Customer bzw. Patient Journey beteiligt. Die Datenstrategie, die die Content-Strategie und Insight-Strategie beeinflusst, muss man aus diesem Blickwinkel überdenken. Analysten sind jetzt gefordert, Daten zu nutzen, um zu antizipieren, statt zu prognostizieren. Ohne digitale Daten gibt es keine Echtzeitdaten. Denn historische Daten liefern oftmals kein genaues Bild mehr. Deshalb muss man verstärkt neue Wege der Datenbeschaffung und -betrachtung fokussieren, wenn Voraussicht essentiell ist. Dazu gehören auch digitale Kanäle wie Social Media.

Customer Centricity durch Agile Analytics

Erfolgsfaktor „Agile Analytics“

Ein Erfolgsfaktor hierfür ist „Agile Analytics“, wodurch man schneller faktenbasierte Entscheidungen treffen kann. Dies umfasst drei Komponenten. Erstens ist es grundlegend, über die richtigen Datenplattformen zu verfügen, um Fragen zu Data Insights in Echtzeit anzugehen. Zweitens werden Mitarbeiter mit analytischen Beratungsfähigkeiten benötigt. Denn sie versetzen Entscheidungsträger mit ihren Handlungsempfehlungen in die Lage, schneller bessere Entscheidungen zu treffen. Drittens beschleunigt man den Prozess, indem man ein fokussiertes Team zusammenstellt. Das sich regelmäßig zusammensetzt, um zyklisch Insights zu entwickeln und Maßnahmen zu definieren.

 

Eine solche Agilität beschleunigt die datengesteuerten Erkenntnisse und führt zum Erfolg. Sowohl in Bezug auf die Entscheidungsfindung als auch auf die Ergebnisse.

Pharmaunternehmen werden durch ihren Bestand an Altdaten gebremst, was zu Herausforderungen führt. Erstens spricht man nicht direkt mit dem Patienten. Zweitens fehlen Echtzeitdaten. Man ist nicht darauf eingerichtet, Informationen zu erhalten, sobald sie auftreten, wie es im Direct-to-Consumer Bereich möglich ist.

 

Die Technologie, um unterschiedliche Datenkanäle zu integrieren, ist inzwischen verfügbar. Dies ermöglicht es Pharmaunternehmen, von einer Datenerfassungs- und Datenberichtsmentalität zu einer Datenstrategie und „Data Decision Frameworks“ überzugehen. Dadurch können sie bestehende Daten integrieren und z.B. mit Marktforschungsdaten ergänzen. Dies liefert Antworten auf das „Was?“ und „Warum?“ an der gleichen Stelle und ermöglicht eine schnellere Entscheidungsfindung.

Fazit: die zentralen Fragen zur Maximierung von Value und der Patient Centricity

„It would be wonderful if we could have a common framework that applies across customer, partner, and workforce. If there is a common way to think about ‘experience’ across all three parts of the ecosystem, this could drive an enterprise's competitive advantage.“

Quelle: Deloitte

Unabhängig davon, ob es in naher Zukunft eine Deregulierung des Pharmamarktes geben wird, müssen Hersteller Maßnahmen einleiten, um ihre Patient Centricity zu erhöhen. Data Science und Big Data durch den Einsatz von KI sind eine Voraussetzung dafür. Ebenso muss ein offener Dialog mit allen relevanten Stakeholdern sichergestellt werden. Und schließlich ist eine konsistente sowie transparente Patienteninteraktion wichtig, mit der man eine individuelle Perspektive auf die Krankheit und auf persönliche Patientenerfahrungen erhält.

 

Wir unterstützen Sie dabei, die zentralen Fragen zur Steigerung des Patientenfokus und Patienten Engagements zu beantworten:

 

  • Wie können Sie ein ganzheitliches Patientenerlebnis schaffen?
  • Wie können Sie die Komplexität in der Patientenerfahrung reduzieren?
  • Welche Arten von Technologien können das Patientenerlebnis verbessern?
  • Mit welchen Datenplattformen können Sie Patient Insights in Echtzeit erlangen?
  • Mit welchen Interaktionsmaßnahmen steigern Sie Ihre Patientenzentrierung und integrieren sie in Ihr strategisches Handeln?

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Gerne rufe ich Sie für ein weiterführendes Gespräch zurück:

Florian Vogel

Florian Vogel

M +49(171)5808762

Wir leben in Zeiten, in der sich unmündige Patienten zu informierten Stakeholdern in der Wertschöpfungskette der Pharmaindustrie entwickeln. Deshalb müssen Pharmaunternehmen ihre Patient Centricity steigern. Indem sie mit datengetriebenen Strategien antizipieren, welche Bedürfnisse ihre Patienten wirklich haben, können sie eine außergewöhnliche Patient Experience über den gesamten Krankheitsprozess hinweg schaffen und dadurch nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren.