Widerstand in Veränderungsprozessen

Widerstand in Veränderungsprozessen: Vier Tipps für den Dialog

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„Widerstand ist in Change-Situationen so sicher wie das Amen in der Kirche!“, schreibt Anne Michel in ihrem Buch Ziel: agil. Und gibt es keinen Widerstand bei einer Veränderung, ist die Transformation nicht weitreichend genug oder noch nicht von den Betroffenen verstanden, gestand mir einmal ein erfahrener Bereichsleiter. Wie Unternehmen mit Widerstand in Veränderungsprozessen umgehen können, beschreibt dieser Blogbeitrag.

Die Relevanz von Veränderung und Agilität im Unternehmen

In einem dynamischen und digitalisierten Wettbewerbsumfeld sind Change Management und Agilität für Unternehmen überlebenswichtig. Denn sie entscheiden wesentlich über den Erfolg des Unternehmens. Diesen positiven Zusammenhang zwischen der Agilität und der Performance eines Unternehmens bestätigt eine Studie von GoetzPartners, in der Daten von mehr als 100 Unternehmen erhoben wurden.

Zusammenhang von Veränderungsprozessen und der Unternehmensperformance

Quelle: Vision11 nach GoetzPartners

Widerstand in Veränderungsprozessen ist ganz natürlich

Wie mein letzter Blogbeitrag zu Change Management beschreibt, haben Unternehmen nicht nur im Hinblick auf Agilität und Kundenzentrierung noch viel Aufholbedarf. Häufig wissen sie auch nicht, wie sie mit dem Widerstand der Mitarbeitenden in Veränderungsprozessen zielführend umgehen können.

Die größten Hürden während der Transformation

Widerstände bei Veränderungsprozessen

Quelle: Vision11 nach Capgemini

Wichtig zu wissen: Widerstand ist eine normale psychologische Reaktion der Menschen auf große Veränderungen. Es entspricht also der Ausnahme und nicht der Regel, wenn Betroffene überhaupt keine Vorbehalte gegenüber dem Change haben. Die Gegenwehr kann dabei sowohl auf persönlicher als auch sachlicher Ebene entstehen. Sogar jeder Siebte hat als sogenannter „Widerständler“ Vorbehalte in beiden Dimensionen.

Arten von Widerständlern in Veränderungsprozessen

Quelle: Vision11 nach Mohr et al.

Aus meiner langjährigen Erfahrung sind die sachlichen Befürchtungen oder gar Missverständnisse leichter aufzulösen als die persönlichen, emotionalen Einwände. Meines Erachtens geht es hier also um den zweiten der vier Gipfel der Veränderung: das Herz!

 

Es ist nicht nur wichtig, mögliche Vorteile gemeinsam mit den Betroffenen zu erarbeiten und zu kommunizieren. Insbesondere muss man auch die Bedenken und Ängste der Betroffenen ernst nehmen und sie im Dialog lösungsorientiert miteinander besprechen. Denn Veränderung lässt sich nicht einfach verordnen.

Top 5 der Widerstände in Veränderungsprozessen

Was steckt hinter den häufigsten Einwänden? Und was sollte dagegen unternommen werden?

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„Das haben wir noch nie so gemacht“

Dabei handelt es sich um einen meiner persönlichen Favoriten. Denn würden wir alle so denken, würden wir weiterhin in Pferdekutschen anstatt in Autos fahren. Auf diese Aussage hin aus der Haut zu fahren, bringt allerdings nichts. Besser ist es, erst einmal Ruhe zu bewahren.

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„Das brauchen wir doch gar nicht“

Dieser Einwand bedeutet tatsächlich übersetzt: ich sehe oder verstehe den Nutzen noch nicht. Hier hilft das persönliche Gespräch mit den Betroffenen über die Vorteile der Veränderung für sich, das Team, die Firma und v.a. für den Kunden.

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„Das funktioniert bei uns niemals“

Diese Aussage wird häufig von dem Satz begleitet: „Das ist doch nur was für die IT-Start-ups im Silicon Valley“. Ja, in der Tat wurden dort viele Dinge erfunden und erprobt. Aber wir hören deshalb ja auch nicht auf, Google zu nutzen.

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„Das können wir nicht“

Digitale und agile Kompetenzen und Denkweisen spielen natürlich eine wichtige Rolle, wie die Capgemini Studie ebenfalls zeigt. Es gibt viele agile Trainer:innen sowie externe und interne agile Coaches, die bei der Umsetzung verständlich erklären und helfend unterstützen können.

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„Dazu fehlt es uns an Zeit und Geld“

Dabei handelt es sich durchaus um einen validen Grund. Dieser rangiert allerdings häufig am unteren Ende der wirklichen Begründungen. Studien wie Making Change Work von IBM zeigen deutlich, dass die weichen Faktoren bedeutend mehr auf den Veränderungserfolg einzahlen als die harten Faktoren Zeit oder Geld. Zentral geht es dabei um Führungsunterstützung, Kultur, ehrliche Kommunikation, Beteiligung und Change Agent:innen.

Zielführender Umfang mit Widerstand in Veränderungsprozessen

In einem Einzelgespräch kann man solche Einwände besonders zielführend und wertschätzend behandeln. Klar muss sein, dass es sich bei Top 2 „Diese Veränderung brauchen wir doch gar nicht“ um keine objektive Falschaussage handelt. Dahinter steckt ein subjektives Empfinden des einzelnen Mitarbeitenden. Diese Aussage ist primär aber gar nicht böse gemeint.

 

Diese Reaktion mag zunächst komisch oder abwegig erscheinen, da man eine andere Wahrnehmung oder einen anderen Wissenstand hat. Trotzdem ist es sogar gut, wenn Mitarbeitende offen ihre persönlich wahrgenommenen Bedenken und Ängste äußern. Denn es ist einfacher, wenn sie ihre Zweifel offen kommunizieren, anstatt sie zu verschweigen, sich bei Kollegen zu beschweren oder sogar andere Konsequenzen zu ziehen.

 

Deshalb sollte man sich zunächst wertschätzend dem Einwand und seinem Gegenüber annehmen. Die Gegenantwort darf dabei nicht lauten: „Ja, aber unser Chef hat die Veränderung so entschieden!“. Denn dies wirkt nicht motivierend, sondern ähnelt eher einem Schlagabtausch oder Boxkampf.

 

Besser kann man mit folgendem praxiserprobten Ansatz agieren:

Vier A-Ansatz zum Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen

Quelle: Vision11

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Anerkennen

Zunächst sollte man den Einwand dankend oder neutral aufnehmen.

„Gut, dass Du den Punkt offen ansprichst. Lass uns gerne darüber sprechen.“ Das „gut“ und „gerne“ sollte allerdings nur gesagt werden, wenn es ehrlich gemeint ist.

Damit zeigt man seinem Gegenüber, dass man nicht gleich in die Gegenwehr geht. Stattdessen schafft man damit einen psychologisch fruchtbaren Boden für den Dialog auf Augenhöhe.

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Analysieren

Danach gilt es zu analysieren, was genau hinter dem Einwand steckt. Welche Erfahrungen und Vergleiche bringen Gesprächspartner subjektiv mit? Können sie vielleicht auch machbare Alternativvorschläge einbringen?

„Warum glaubst Du, dass uns die Veränderung nichts bringt?“ (nicht angreifend betont…)

„Welche guten und schlechten Erfahrungen hast Du diesbezüglich bereits machen können?“

„Welche realistischen Alternativen siehst Du dazu, die uns ebenso zum Ziel bringen?“  

Geht der/ die Gesprächspartner:in nicht auf die Fragen ein und winkt ab, kann man dies offen ansprechen:
„Kann es sein, dass noch etwas anderes hinter Deinem Einwand steckt?“

 

Ich durfte in vielen Fällen – auch als Shadow-Coach – erleben, wie sich dann ein ganz anderer Dialog ergab und zu einem guten Endergebnis führte.

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Alternativen und Argumente

Erst wenn man den Hintergrund der Einwände herausgefunden hat bzw. Gesprächspartner auch sich selbst einige Details beantwortet haben, geht man den nächsten Schritt. Jetzt sind die verschiedensten Argumente für die Veränderung und Vorgehensweise viel passender und wirkungsvoller. Denn nun weiß man, worauf es dem Anderen ankommt, sodass man mögliche Alternativen diskutieren kann:

„Ok, Du hast gesagt, dass Dein Schwager bei der Einführung einer ähnlichen Veränderung in seiner Firma schlechte Erfahrung gemacht hat. Ist das vergleichbar mit unserer Situation? Und was können wir daraus eventuell lernen?“

„Wie siehst Du die möglichen Vorteile der Veränderung: für Dich, das Team und den Kunden? Wir werden durch die Veränderung wahrscheinlich schneller, tauschen uns häufiger aus und schaffen mehr Ideen und Verbesserungen.“

„Wie wäre es, wenn Du uns im Set-up des ersten Piloten
unterstützt oder im Projektteam mitwirkst?“

 

Eine Beteiligung wichtiger Kritiker:innen kann das Projektvorgehen bzw. Ergebnis tatsächlich deutlich verbessern.

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Abschließen

Im letzten Schritt gilt es sicherzustellen, dass der Knoten im Kopf bzw. Herzen des Gegenübers wirklich gelöst ist. Sonst steht man weiterhin im Nebel bzw. kommt immer wieder auf das gleiche Problem zurück. Dazu eignet sich eine geschlossene Abschlussfrage, die nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann und nicht manipulativ gestellt werden sollte:

„Konnten wir Dein Thema bezüglich des Nutzens der Veränderung klären?“

„Siehst Du nunmehr die Vorteile der Veränderung?“

„Konnten wir Deine Zweifel zerstreuen und Dich davon überzeugen, dass wir die Veränderung brauchen?“

 

Bekommt man hierauf ein ehrliches „Ja“, ist für beide Seiten das Thema vom Tisch. Durch die positive Antwort wird es auch nur schwer noch einmal zurück auf den Tisch kommen.

 

Bei einem „Nein“ startet man noch eine Runde. Dabei analysiert man erneut mit tiefergehenden Fragen, was noch nicht klar ist oder wo es noch hakt.

Wie viele Runden man dreht, hängt zum einen von der Bedeutung der Veränderung und der notwendigen Beteiligung des Gegenübers ab. Ist diese Person nur am Rande beteiligt, braucht man nicht zu viele Schleifen drehen. Zum anderen hängt es aber vor allem davon ab, ob Gesprächspartner sich auf den Dialog einlassen oder ob sie komplett blocken. In diesem Fall sollte man kurz pausieren: frische Luft, Durchatmen oder ein Kaffee wirken manchmal Wunder. Sollte das nicht genügen, sodass man partout nicht einen Millimeter weiterkommt, kann ein längeres Vertagen nützlich sein. Ein paar Nächte darüber zu schlafen, bringt vielleicht neue Perspektiven, Befindlichkeiten und Möglichkeiten.

Ein Zauberstab ist diese vierstufige Vorgehensweise natürlich nicht. Sie steigert allerdings die Wahrscheinlichkeit, den Einwand zu verringern oder gute Lösungen gemeinsam zu schaffen. Viel Erfolg damit!

Sie wollen mehr erfahren oder sich dazu austauschen?

Gerne rufe ich Sie für ein weiterführendes Gespräch zurück:

Arndt Schmidtmayer

M +49 151 55302386

Widerstand ist eine normale psychologische Reaktion der Mitarbeitenden auf große Change-Prozesse. Dennoch müssen sich Unternehmen kontinuierlich verändern, um in einem dynamischen und digitalisierten Wettbewerbsumfeld zu überleben. Umso wichtiger ist es, dass sie die vier Schritte zum Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen kennen und zielführend anwenden können.