pleasestayfoolish: Humor in Krisenzeiten

#pleasestayfoolish: Humor in Krisenzeiten

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Schnell und unaufhaltsam. Es hat sich angebahnt und schlug dann mit brachialer Gewalt ein.  Die Flut an witzigen Posts in der Messengergruppe unserer Firma. Über alle Altersgruppen und Hierarchien hinweg wurde gemeinsam geteilt, geliked und kommentiert. Waren die Inhalte – über deren Niveau sich sicher streiten lässt – bisher sehr vielfältig, gibt es nun nur noch ein Thema. Corona, in all seinen humorvollen Auswüchsen. Von Musikempfehlungen bis hin zu schrägen Bildern, Filmen und Links wird alles geteilt, was nicht niet- und nagelfest ist. Was ist da passiert?

Humor ist in seiner Struktur etwas was sehr Komplexes. Er ist abhängig von Geschlecht, Region, Alter und Bildung. Die Grenzen des Humors und das Empfinden von Tabus sind sehr individuell. Wo beginnt Humor und wo fängt er an beleidigend oder sogar verletzend zu werden? Bis auf die vom Gesetzgeber definierten Richtlinien, sind die Grenzen in unserem Verständnis absolut fließend.

 

Momentan amüsiert man sich ja, und das ist wichtig, vor allem über die eigene, subjektive Befindlichkeit und die panischen Auswüchse der Krise bei einem selbst – etwa beim notorischen Hamsterkauf von Toilettenpapier, verrät der Schweizer Soziologe Jörg Räwel in einem Interview mit der SZ. Das Szenario kennt ja keinen Schuldigen und wird vorerst als Naturkatastrophe hingenommen. Es bleibt uns insofern nichts anderes übrig, als eine humorvolle Miene zu einem bösen Spiel zu machen.

 

Ob sich das ändert? Natürlich! Dann wenn wir selbst betroffen sind. Homeoffice fühlt sich für viele noch recht kuschelig an. Endlich lässt sich mal in die Kinderzimmer, Arbeitsecken und Ikea-Küchen der Kollegen schauen. Verstärkt wird dieses Gefühl durch die unzähligen lustigen Beiträge über das perfekte Homeoffice-Outfit. Diverse Artikel nehmen die Etikette bei Videokonferenzen auf die Schippe und verraten Tipps und Tricks und sich perfekt in Szene zu setzen. Lustige Kommentare zum unrasierten oder ungeschminkten Auftritt im Kapuzenpulli heben die Stimmung und schweißen die Gruppe zusammen. Denn Humor ist selbstgenügsam.

 

Hier liegt die besondere Stärke von Humor. Durch gemeinsames lachen, entsteht in der Gruppe ein Gefühl von Zusammenhalt. In Zeiten starker Unsicherheit und Orientierungslosigkeit können wir uns nicht darauf verlassen, dass Politik, Wirtschaft oder Gesundheitssystem uns sichere Perspektiven oder Lösungen anbieten. Insofern ist Humor eine Möglichkeit neue, kreative Perspektiven zu erzeugen so Jörg Räwel. Er öffnet durch Reflexion alternative Sichtwinkel zu der Situation, in der wir uns gerade befinden.

Tweet - Die Partei

Natürlich gilt das nicht für alle witzigen Beiträge gleichermaßen. Einige sind sehr intelligent wie das Plakat der Satirepartei „Die Partei“ zum Aufruf einer Menschenkette und wieder andere sind eher einfach gestrickt, wie etwa die Flut an Beiträgen über Toilettenpapier.

 

Sie haben alle etwas gemeinsam. Sie sind wichtig und wir sollten nicht damit aufhören. Humor rettet kein Leben, aber er bildet den übergreifenden Konsens zu einem Thema, dass uns am Ende stärker verbindet und einen kurzzeitigen Abstand zum Ernst der Situation schafft.

Schnell und unaufhaltsam. Es hat sich angebahnt und schlug dann mit brachialer Gewalt ein. Die Flut an witzigen Posts in der Messengergruppe unserer Firma. Über alle Altersgruppen und Hierarchien hinweg wurde gemeinsam geteilt, geliked und kommentiert.